In eigener Sache


Es gibt Tage, in die fallen Dinge, Begebenheiten, Peinlichkeiten, Lektüren, Dummheiten, Begegnungen besonderer Art. Sie lösen keine Sinnkrisen aus, lassen einen aber für einen Moment am Verstand anderer Menschen Zweifel hegen — und an deren Fähigkeit zu Denken. Kennen wir alle.

Mit den Niedrigkeiten und Nickligkeiten der Rezensionskultur — nicht nur auf den Seiten der Architekturmagazine — wohlvertraut (weil jahrelang als Geschäft betrieben), dieser Daumen–Rauf–Daumen–Runter–Akrobatik, will man ja eigentlich gar nicht konfrontiert werden, geschweige denn diese abgestandenen Lobhudeleien oder das peinliche Gift inhalieren, das unterschwellig mitschwingen kann … zumal weil die Bücher in der Regel nicht ernsthaft gelesen sondern lediglich durchgeblättert werden — ab ins Regal damit.

Manchmal wird man auf solche Machwerke aber gestoßen — von Verlegern oder Freunden.

Bitteschön —:

Ein Freund besuchte mich neulich zum Dinner, ein Architekt. Einer der entwirft, liest, nachdenkt, „forscht“ und an der Uni lehrt, Geschichte und Theorie. Im Laufe des Abends fragte er mich, ob ich diese „dämlichen und ärgerlichen Bemerkungen“ im Netz zu meinem letzten Buch gelesen hätte … Ich fragte verdutzt nach … Er: »Na ja, bei diesen Marlowes …“.

Ich bejahte mit dem Hinweis, daß ich diesen im Grunde unsäglichen Text * (Anmerkung) schon kurz nach Erscheinen vor eineinhalb Jahren habe lesen dürfen, nachdem mein Verleger ihn mir hatte zukommen lassen, daß ich ihn blöd fand, daß ich der Autorin auch eine dann — im Nachhinein — doch eher zu freundliche email geschrieben und sie auf sachliche Fehler hingewiesen hätte … —: falsch zitiert … Verwechslung von Untertitel und Gattungsbezeichnung … unsinnige Angaben zur Hochschule, an der ich gelehrt habe etc.… und, nicht wirklich versteckt, mit dem Hinweis, daß ich den Text nicht für eine Rezension hielte …) (diese meine Replik ist, »ungekürzt«, im Anhang wiedergegeben). —

 

* (Anmerkung: am Ende dieses Textes der entsprechende link Richtung Marlowes)


Die Antwort der Rezensentin auf meine Replik  (Dezember 2021/ ich zeigte sie meinem Freund) war etwas widerspenstig, man könnte auch sagen unfreiwillig komisch, eher aber doof und auch unsubtil frech, ganz wie man will … oder liest (man liest ja »unterschiedlich« hahaha … siehe folgenden Brief) — jedoch im Prinzip so dumm wie der Text im Netz. Hier ihre (ungekürzte) Antwort an mich (Schreibfehler im Original):

Lieber Herr Kieren,
herzlichen Dank für Ihren freundlichen Brief.

Das „sich“ habe selbstverständlich sofort eingefügt.
Zwei Personen lesen üblicherweise Korrektur – es war uns nicht aufgefallen, dass das „sich“ fehlt. Entschudligen Sie dies bitte.

Die Absätze – dem Netz sei’s geklagt – verspringen in unterschiedlichen Browsern und in Handy-Darstellungen leider so, dass wir sie erst gar nicht einpflegen. Bibliophiles verträgt sich hier nur im PDF, mit dem wir nur noch Copyrights verteidigen.

Es ist gut, dass Bücher unterschiedlich gelesen werden. Sonst wäre es – das Lesen – ja langweilig.

Mit den besten Wünschen zu erholsamen Weihnachts- und Jahreswechseltagen,
Ursula Baus

 



Nach Erhalt dieser Antwort hatte ich gedacht, daß auch die anderen Fehler behoben seien (auf die das Frollein hier ja gar nicht einging …) — ehrlich gesagt: Ich habe dann gar nicht mehr nachgeschaut. War mir zu blöd, kostbare Lebenszeit. Sei’s drum dachte ich. … Mein Freund und ich haben uns dann aber doch den aktuell auf Marlowes eingestellten Text noch einmal aufgerufen: Er war — nach nunmehr eineinhalb Jahren — tatsächlich nur minimalst korrigiert … trotz meiner Hinweise. Ein wenig verdutzt war ich schon ob dieser Chuzpe und Ignoranz.

 

Zunächst — der Satz:» Es ist gut, dass Bücher unterschiedlich gelesen werden. Sonst wäre es – das Lesen – ja langweilig.« gibt mir ehrlich gesagt Rätsel auf … ist das jetzt eine Entschuldigung dafür, daß man nicht richtig lesen kann? Oder der Hinweis darauf, daß man ein Buch so: nämlich aufmerksam und von Anfang bis Ende lesen kann, oder so: einmal schnell reinschauen, einen Satz notieren, Rezension schreiben … Und wech … Oder einmal anders gefragt: Ist denn das Lesen erst dann nicht langweilig, wenn man sein eigenes (oberflächliches) Leseverhalten an dem von anderen Lesern misst (oder es mit diesem vergleicht), von denen man ja gar nicht weiß, wer diese anderen sind und wie diese anderen lesen? Verschwurbelter gehts nicht …

 

Noch kryptischer: »Die Absätze – dem Netz sei’s geklagt – verspringen in unterschiedlichen Browsern und in Handy-Darstellungen leider so, dass wir sie erst gar nicht einpflegen. Bibliophiles verträgt sich hier nur im PDF, mit dem wir nur noch Copyrights verteidigen.« — Wenn sich das auf die fehlenden Virgel beziehen sollte — dann ist der Satz Kokolores; man kann sie einsetzen wie Kommata, dafür sind sie da. Ich vermute, daß man (Frau) den Sinn von Schrägstrichen in diesem Falle nicht erkennt, nicht kennt, nicht kennen will (man spricht dann von "beschränkt", sorry.)


Aber, noch einmal grundsätzlich —:

Daß in der Redaktion von Marlowes zwei Korrekturleser (und/ oder Korrekturleserinnen/ plus Autorin) sitzen, mag ja sein (wir nehmen einmal an, daß es so ist), dann aber sind beide (plus Autorin) nicht geeignet für diese Tätigkeit: Das fehlende »Sich« nämlich blieb von allen unentdeckt … und somit war auch die Sinnentstellung programmiert … über diese hat man dann gut leise hämisch lachen und kommentieren … nämlich über den falschen Satzsinn (den man selbst produziert hat) … Bei der gegebenen Satzlänge darf man (als lektorierende Mitarbeiterin oder lektorierende Mitarbeiter) ruhig wenigstens einmal kurz im Originaltext nachlesen … was sonst will man lektorieren? Lektorieren heißt auch "Sinn" erfassen … und bei Unstimmigkeiten im Original nachschauen … aber was rede ich … Mannomann …

Das redaktionell Unverzeihlichste aber: Man fügte der zitierten Textstelle auch auf meinen Hinweis hin keine Virgel (slash) ein, wie es z.B. in jedem einfachen Regelheft für die Oberstufe geregelt ist:

aus einem Oberstufenregelheft:
»Zitieren von Versen (Gedichte / Dramen) —: Verse werden beim Zitieren mit „V. “ abgekürzt. Beim Zitieren von mehreren Versen kennzeichnet man die Verswechsel durch einen Schrägstrich (eine Virgel). Der Versanfang wird immer großgeschrieben, sofern die Vorlage es vorgibt.«

Ein Hinweis auf das Kompositionsschema aus zweihundert Fünfzeilern — gleichsam Kommentare zu andernorts oftmals unverständlich ausgebreiteten und ausgewalzten  Gedanken, aus denen das Buch besteht (neben einem unerwähnten Mittelteil mit fünfundzwanzig anderen Texten, teilweise über zwei Seiten sich erstreckend), und bei denen grundsätzlich jeder Versbeginn durch einen Großbuchstaben gekennzeichnet wird, fehlt völlig, ist aber eines der Hauptmerkmale des Buches —  rhythmisch, gedanklich, lesetechnisch, daraus folgernd auch typografisch …; was man allerdings nur sich „erlesen“ kann, wenn man mehr als eine (Doppel–)Seite so hopplahopp zur Kenntnis nimmt, die man zufällig und in Eile aufschlägt. (Ein anderer Bücherstapel wartet darauf, durchhetzt und „rezensiert“ zu werden.) Die „Architektur“ des Textes wird somit ignoriert (resp. gar nicht erst erkannt) … dadurch zerstört, besser: unleserlich gemacht; schlimmer aber: dem Leser nicht angezeigt … Virgel? Nie gehört, wie?! ——

Weiter —:

»Eine »Poietik« – so heißt es im Unter- beziehungsweise Nebentitel, was darauf weist, dass sich der Autor wohl als Denk- und/ oder Sprachkünstler begreift.«

… Uiihhhh … Hier werden jetzt einem imaginären Sprachkünstler die Leviten gelesen … Dieser grandiose Blödsinn von Behauptung mit Schlussfolgerung blieb leider auch stehen — denn: eine »Poietik« wird auch nicht durch intellektuelles Aussitzen und behäbige Ignoranz (des Hinweises auf diesen groben Fehler) ein »Untertitel« … und auch kein »Nebentitel« — sondern ist und bleibt eine Gattungsbezeichnung. Wer nicht weiß was das ist, sollte irgendwo nachschlagen, wo auch immer (zur Not hilft das oben erwähnte Oberstufenregelheft) … nicht aber in der Apotheken Umschau oder in der Bäckerblume.

Wenn man aber aus diesem unverzeihlich–fatalen Fehlschluss den nächsten zieht, nicht weniger fatal und nicht weniger dumm und blödsinnig und a bisserl bösartig, der irgendwie auch ins hämisch Unfreundlich–Persönliche zielt ( … Hach! … man braucht noch eine Pointe kurz vor Weihnachten … und beißt in eine Printe oder in einen Spekulatius  …), nämlich den — »dass sich der Autor wohl als Denk- und/ oder Sprachkünstler begreift«, dann wird es peinlich … — für die Autorin. Denn selbst wenn man eine Poetik (das assoziierte wohl die ahnungslose Frau B. auf die Schnelle) mit einer Poietik (sic!) verwechselt, ist der Schluss immer noch grundfalsch, denn erstere ist nichts anderes eine Lehre von der Dichtkunst (die man auch jenseits der Beherrschung der Sprachkunst verfassen kann, auch wenn das gefährlich ist …) — und die Zweite eine … mein Gott … schlag nach bei Aristoteles, zum Beispiel … — und schon steht unsere Autorin mit ihren Füßchen (die Schuhe die sie sich anzog waren ein paar Nummern zu groß für sie …) in zwei unschönen, mit bösen Hintergedanken für andere aufgestellte Fettnäpfchen, die sie sich jedoch selbst — nach dem Motto: Haha, jetzt hab ich ihn … — vor diese ihre Füßchen gestellt hat (… wer andern eine Grube gräbt … oder so ähnlich … oder: Hochmut kommt vor dem Fall … nämlich in die Untiefen der Geistlosigkeit, der Ahnungslosigkeit, der Peinlichkeit …). —

 

Nebenschauplatz, aber bezeichnend für die saloppe schnelle Nummer: Zu meiner Person schrieb Frau Baus in Ihrem „Urtext“ (auf den ich reagiert hatte) … »Prof an der BTH, früher Beuth HT« … beides gibt es nicht, beides gab es nie, die Dame scheint auch hier weder webseitenfest zu sein, noch waschzettelfest … mein Korrekturvorschlag wurde immerhin unkommentiert berücksichtigt.

Mehr? —:

» … stehen auf den meisten Buchseiten ein oder zwei Sätze inmitten vielen Weißraums, als sei die Twitter- und Instagram-Kürze nun ästhetisch überhöht zurück ins Analoge transloziert « …  na ja, muss resp. sollte man eigentlich nicht kommentieren … trotzdem: wenn einem/ einer nicht mehr einfällt zu kurzen Texten (ja, tatsächlich, auf Weißraum, der auf Marlowes häufig fehlt … er beruhigt und erleichtert die Lektüre beizeiten; wem das Weiß aber nicht passt, der sollte sich beim Lesen eine Sonnenbrille aufsetzen) — ob es nun Gedankensplitter, Gedichte, Aphorismen oder »Sentenzen« sind — als Twitter und Instagram, dann hat man im Leben etwas falsch gemacht — oder sagen wir es so … der/ die trägt die berühmte Jogginghose im Sinne von Karl Lagerfeld. Den Vergleich: Fünfzeiler = Twitter/ Instagram kann definitiv (man könnte den Vergleich sonst nicht anstellen) nur jemand ziehen, der sich dort auskennt, mithin sich täglich auf diesen verbalen Müllhalden herumtreibt … Man zwitschert dort zuviel … statt ordentlich redigierte Texte lesen zu lernen. Den schwarzen (Twitter– Instagram–)Peter, der dem Autor zugedacht war, hält deshalb immer noch die Autorin in ihren Instagram–Händchen.

 

Anmerkung: Auf Marlowes Seiten kann man — neben vielen instruktiven und klugen Beiträgen — ebensoviele Texte ohne jeden Weißraum lesen, Texte, die genau das Gegenteil von dem sind, was man (gebotene) Kürze nennt. Und ich meine damit jene Kürze, die genügt, um einen Sachverhalt zu benennen, zu beschreiben, zu erklären, eben derart, wie es Jorge Louis Borges * (Anm.) gemeint hat mit der Textstelle, die in meinem Buch als letzte Referenz zitiert wird; der Weißraum dient hier zudem der Ruhe, der störungsfreien, heißt, der kontemplativen Lektüre. — Welche Sachverhalte auch immer, sie werden auf den besagten weißlosen Bleiwüsten–Seiten im Baus'schen Netz  häufig begraben von einem endlosen, heißt: einem oft eben nicht endenden geschwätzigen Gebrabbel, von Satzungeheuern ohne wirkliche inhaltliche Mitteilung, von Notaten auf Nebenschauplätzen jenseits  des Kerns, ohne Sinnvermittlung und ohne Notwendigkeit … aber all dieser engzeilige, überbordende Wortschwall wird auf den letzten Lesemetern unnötigerweise von einem erhobenen Zeigefinger begleitet und angezeigt … und von moralinsauren, den immer korrekten Politkhunger befriedigenden verbalen Sättigungsbeilagen begleitet … man glaubt so, einer imaginären politischen correctness zu dienen … ——

Dies noch —:

»Was aber soll der »Kern« sein? Das erschließt sich aus der Sentenzensammlung leider nicht.« U.B.) — War auch nicht intendiert: Selbst der Waschzettel des Verlages gibt das her: »Es liefert einzig zweihundert formstrenge „Denkbilder“, komprimierte Gedanken resp. Denk–Figuren zur Architektur, und fünfundzwanzig poetisch offene „Raumbilder“, gruppiert als Konstellation um einen unsichtbaren Kern herum: den des Metiers.« … (Unsichtbar heißt auch nicht benennbar…) Und man findet in meinem Buch sehr wohl auch Hinweise darauf, daß dieser unsichtbare (und somit nicht identifizierbare) Kern quasi eingekreist resp. umkreist wird … — ohne ihn explizit zu benennen. Als Autor behalte ich mir vor, gleichfalls nicht zu wissen, was der resp. welch Wesens dieser Kern ist, sehr wohl aber, ihn als Idee im Sfumato der Gegenwart des Baugeschehens und innerhalb des Diskurses zu dem, was wir gemeinhin Architekturtheorie nennen, von Außen her zu denken … so wie die leere und somit gleichsam sichtbar–unsichtbare Mitte der japanischen Teeschale  trotz allem ihr „Wesen“ ist, ihr nicht nur ideeller Kern  — … na ja, man muss (siehe oben) Bücher eben komplett lesen — vielleicht mal bis zum Ende? —, bevor man sie „rezensiert“ resp. aus der Hüfte schießt … dann findet man auch den "Kern" (als Leerstelle zumindest)… nur mal so, als kleiner Tipp.

Finis —:

»Das Buch hat zwei farbig unterschiedliche Lesebändchen, deren Funktion sich mir nicht erschloss.« — Daß man, zuletzt, eine studierte Kollegin auf die Rolle von Lesebändchen aufmerksam machen muss … Ojeoje … aber Madame wollte ja unbedingt — und das noch recht witzigHaHaHa —, an ihre „Rezension“ anschließen, die ihrem Kommentar zu meinem Buch voranstand; dort heißt es nämlich zum Schluss: » …und eingedenk einer langen Literaturliste hätte ein Lesebändchen gute Dienste geleistet.« — Ja Donnersapperlot …! Geht vielleicht auch ein selbstgebasteltes niedliches kleines Lesezeichen (wir sind auf den letzten Metern bis Weihnachten! … und die Bastelgruppe des Frolleins würde ihr auch geholfen haben) … ein ausgeschnittener Streifen zum Beispiel aus einer zu Haus doch wohl stets herumliegenden illustrierten Anleitung zum Weihnachtsplätzchenbacken, zum Twittern, Instagrammieren, Töpfern oder Häkeln? Oder wars Ikebana …? —

 

* (Anm.)

»Ein mühseliger und strapazierender Unsinn ist es, dicke Bücher zu verfassen; auf fünfhundert Seiten einen Gedanken auszuwalzen, dessen vollkommen ausreichende Darlegung wenige Minuten beansprucht. Ein besseres Verfahren ist es, so zu tun, als gäbe es diese Bücher bereits, und ein Résumé, einen Kommentar vorzulegen. … Aus größerer Gewitztheit, größerer Unbegabtheit, größerer Faulheit habe ich das Schreiben von Anmerkungen zu imaginären Büchern vorgezogen.«
                                         Jorge Luis B o r g e s

 


https://www.marlowes.de/lesen-lesen-lesen/
https://wasmuth-verlag.de/autor/martin-kieren/

 

 

 

Meine seinerzeitige Reaktion auf den Text in Marlowes

hier unverändert/ ungekürzt:

Berlin, den 17. Dezember 2021


Liebe Frau Baus,


Hallo Hallo, lange nichts mehr voneinander gehört ... Der Verlag Wasmuth & sandte mir vor zwei Tagen Ihren Text zu, den Sie anlässlich des Erscheinens meines Buches geschrieben haben. Dankeschön. Man freut sich ja schon, wenn sich jemand die (knapp bemessene Lebens–) Zeit nimmt, das, was man geschrieben hat, zur Kenntnis zu nehmen und zu kommentieren. Und obwohl ich im Grunde weisz, dasz man als Autor nicht auf dergleichen Texte reagieren sollte, erlaube ich mir — da ich Sie aus der Ferne schätze und „kenne“ — einige kurze Anmerkungen, die mir bei der Lektüre Ihrer flott vorgetragenen Sätze in den Kopf gekommen sind:


»Ein (ungekürztes!) Beispiel« — schreiben Sie, stimmt aber nicht ganz, denn im Buche des Herrn steht geschrieben —: »Architektur als radikale Stilisierung eines / Metiers das sich der Idee verschreibt ein / Göttliches Sein im hic et nunc zu verankern. / Das Jenseits im Hier. Weil das Jenseits / Ewigkeit verspricht ... Jedes Haus ein Stern.« — In Ihrer Fassung (ohne das Wort »sich«) ergibt das (nicht von mir!) Geschriebene tatsächlich keinen Sinn ... Apropos: die Zeilensprünge / sind im Buche (und hier) nicht willkürlich gesetzt ... und man sollte sie grundsätzlich (für die Zukunft) zitieren wie hier geschehen ... — 



»Aber der Kern einer Theorie der Architektur tritt hier nicht in Erscheinung.« — Der „Kern“, dessen Substanz ich auch nicht kenne (was ich auch nicht behaupte), bleibt selbstverständlich unsichtbar (wie der Inhalt der Büchse der Pandora!), sonst hätte ich ihn benannt/ beschrieben/ über ihn geschrieben ... (wenn man alle Texte des Buches liest — als Rezensent oder Rezensentin sollte man dies tun — stöszt man auch auf diesen Gedanken, nämlich dasz die Texte diesen unsichtbaren Kern nur zu umkreisen versuchen ...). — 



Dasz Sie »zwei Sätze inmitten vielen Weißraums« nur an die, an der Geschichte der Literatur gemessen, sehr jungen und nicht wirklich satisfaktionsfähigen Schreibäuszerungen in »Twitter- und Instagram-Kürze« erinnern, finde ich wirklich schade ... und entspricht nicht Ihrem Niveau und Ihren intellektuellen Potentialen ... sorry ... dafür sind Sie zu belesen ... — (ich bin übrigens nicht bei Twitter, Facebook, Instagram ... nirgends ...). Ich entnehme das Gebot zur Kürze anderen Referenzen, u.a. der letzten in meinem Buch (bis dahin muss man vordringen) ... und der Lust meines Intellekts, es mal genau so zu versuchen ... also pure lustvolle Seiltänzerei ... — 



»Das Buch hat zwei farbig unterschiedliche Lesebändchen, deren Funktion sich mir nicht erschloss.« — Schade. Kleine Hilfestellung: „Lesebändchen“ sind Merkhilfen: entweder um die Seite schnell wiederaufzufinden auf der man aufgehört hat zu lesen ... oder um eine „schöne“ (oder doofe) Stelle sich zu merken. Hübsch sind sie auch, oder? — Aber Sie wollten ja unbedingt mit dieser Pointe an den Schluss Ihrer Lesebändchen–Rezension zuvor anknüpfen, ich hoffe Sie hatten Ihren Spasz dabei ;—) 



»Prof an der BTH, früher Beuth HT « ... beides gibt’s nicht, beides hat es nie gegeben, es heiszt, wenn schon denn schon, — BHT ... na ja, Nebenschauplatz ... 



Etwas gewichtiger —: »Eine ‚Poietik‘ – so heißt es im Unter- beziehungsweise Nebentitel ... « — schreiben Sie ... beides ist nicht richtig, denn „Poietik“ ist eine Gattungsbezeichnung, definitiv kein Neben– oder Untertitel (der lautet »De Re Aedificatoria«, so steht’s auf dem Umschlag und im Buch) — damit erledigt sich auch Ihr Hinweis auf den »Denk- und/ oder Sprachkünstler«, der ich definitiv nicht bin und sein will (sic!) ... wäre auch vermessen ... wie? ... Wenn überhaupt ist ein wenig Äquilibristik im Spiel, naturgemäsz auf hohem Seil, ohne Netz. Absturzgefahr? ... grosz! ... potentielle Fallhöhe? ... enorm! ... — 



Ehrlich gesagt wäre mir ein substantieller Verriss oder eine dem Buch angemessene Polemik lieber gewesen ... Wie schrieb doch der gute alte Benjamin: „Echte Polemik nimmt ein Buch sich so liebevoll vor, wie ein Kannibale sich einen Säugling zurüstet.“ ... Schade dasz ich dafür mit meinem Buch keinen Anlass biete ... sei’s drum; aber trotzdem Danke, besser: ein herzliches Dankeschön — und das meine ich ernst, schon auch, weil ich Sie schätze —, man muss / kann ja froh sein, wenn man mit seinen hingestrichenen Gedanken im späten Bücherherbst und so kurz vor der Weihenacht überhaupt vorkommt in diesem mit Flüstertönen hinter vorgehaltener Hand und mit allerlei Geraune und ästhetischem Weltverbesserungstum angereicherten und gesättigten Bücherwald. —

 

Apropos: Ich finde in (auf?) Marlowes immer wieder Lesenswertes. Und: Ich hoffe zuletzt dennoch, dasz Sie „bibliophile“ Bücher schätzen und ich — statt sofort in einem Antiquariat zu landen — einen schönen Platz finde in den Buchreihen Ihres Heims; die Lesebändchen kann man übrigens über die Weihnachtstage über die Kante des Regalbretts baumeln lassen ... sieht lustig aus.


Wenn Sie Zeit finden, und Lust haben, hier die kurze Rezension einer Kollegin von Ihnen:

 


Es winkt und grüszt Sie herzlich aus Berlin und wünscht noch eine mit Gesundheit grundierte gedankenreiche Restjahresszeit des verwirrenden Jahres 2021 ...


Ihr Martin Kieren
 

 

Der um das Buch herumgefaltete und hier quasi als tektonische Typografie aufgefaltete Buchumschlag mit Vorderseite und Rückseite

 

Buch — Satz und Typo — und Umschlag wurden von Nikolaus Ott gestaltet

Es folgen einige Doppelseiten aus dem Buch